Drittes Extrakonzert

Neue Zürcher Zeitung
October 28, 1962 This document is kindly supplied by Mrs. Martha Schuricht.


Rh. Es war in jeder Beziehung ein "großer Abend", der den Zürcher Musikfreunden am 23. Oktober im Großen Tonhallesaal beschert wurde. Der zwar im Greisenalter stehende, im Herzen und in seiner Kunst aber in der Vollkraft der Jugent verbliebene Dirigent Carl Schuricht gab mit seiner Darstellung von zwei Lieblingswerken des Publikums - Beethovens Violinkonzert und Dritter Symphonie - Proben seiner Meisterschaft der Orchesterführung, die mit schlichter Selbstverständlichkeit der Zeichengebung zu einer Perfektion der Klanggestaltung gelangt, die den enragiertesten "Perfektionisten" unserer hektischen Gegenwart versagt bleiben muß. Freilich liegt jener Selbstverständlichkeit eine natürliche Musikalität sublimster Ausprägung und eine immense Erfahrung der Werke wie in der jovialen Behandlung der Musiker zu verspüren ist. Innerhalb genauester Einhaltung der Grundtempi und der dynamischen Verschriften des Komponisten wird dem Orchester und dem Solisten große Freiheit in der linearen Ausführung gelassen. Das Ergebnis ist dann - wie die im rein Klanglichen wie in der Präzision des Zusammenspiels gleich hervorragenden Leistungen des Tonhalleorchesters an unserem Abend zeigten - ein völlig gelöstes Musizieren, das den Intentionen des Werkschöpfers in weit höherem Maße gerecht wird als jede allzu straffe Einengung der persönlichen Initiative der Ausführenden. Das gleiche gilt natürlich auch für den Solisten, als welcher in unserem Konzert der belgische Meistergeiger Arthur Grumiaux zu hören war, dessen untadelig reines, in seiner zarten Tongebung doch beseeltesten Ausdrucks fähiges Spiel sich sowohl in den virtuosen Partien - ganz besonders schön gelang die schwierige Kette der hohen Triller vor dem großen Orchesterzwischenspiel im ersten Satz - als auch in den innigen Kantilenen des Larghettos und in dem das heitere Hauptthema in immer neuen Verzauberungen bringenden Rondo aufs beste bewährte.
Die Leistungen Schurichts im einzelnen zu würdigen wäre ein ziemlich unzweckmäßiges Unter nehmen, da die dargestellten Kunstwerke in restloser Deutlichkeit der thematischen Führung und in der Vollendung ihrer Klanggestalt wie aus einem Gusse erschienen. Nur an einige, den Schreibenden persönlich besonders berührende Momento in der "Eroica" sei hier noch erinnert: an die von gewaltigen Spannungen durchwobene Steigerung nach dem Maggiore im Trauermarsch und an dessen wunderbar ruhigen Abgesang, an die bei aller Darbietung der thematischen Kontraste doch absolut überzeugend wirkende Vereinheitlichung von Scherzo und Trio und an die Transparenz der Kontrapunktischen Ueberschichtungen im Finale. Das alles konnte in dieser Art nur einem Meister wie Carl Schuricht gelingen, der am Schluß von Stürmen der Begeisterung umwogt wurde, die in seiner menschlichen und künstlerischen Gesamtpersönlichkeit und in den durch sie inspirierten musikalischen Leistungen vollauf begründet waren.


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